Sehr geehrter Herr Stocker
Ich möchte von Anfang an klar stellen, dass ich keinesfalls sehr viel von Ihnen halte oder Ihren Lebensstil gutheisse. Ich kenne weder Ihre Lebensgeschichte, noch den Grund warum Sie jetzt ein schwerer Alkoholiker sind.
Doch trotzdem faszinieren Sie mich in einer Weise, wie es keiner der anderen Charakteren tut.
Ich habe Ihr Manuskript von Lila, Lila (Sophie, Sophie) nicht gelesen und werde es leider auch nie können.
Doch das, was ich davon gelesen habe ist wunderschön. Wie (entschuldigen Sie bitte meine Ausdrucksweise) kann ein Säufer wie Sie solche Emotionen zu Blatt gebracht haben?
So wie Sie das geschrieben haben, haben Sie diese Geschichte wirklich erlebt.
Ich glaube, kein Leser kann es wirklich ganz nachvollziehen, aber trotzdem berührt die Geschichte tausende.
Wie ist das Manuskript überhaupt in diese Schublade gelangt und wieso ist es dort geblieben? Ist es dort mit den Jahren einfach in Vergessenheit geraten? Oder war es Absicht? Denn nach Ihren Worten haben sie zu Hause noch etliche Kopien. Um David klar zu machen, dass Sie ihn jederzeit auffliegen lassen könnten.
Das alles sind Fragen, die in meinem Kopf spuken doch die grösste von allen ist:
Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie von dem Buch gehört haben?
War es Wut? Enttäuschung? Freude, dass Ihr Werk an die Öffentlichkeit gelangt ist, weil Sie vielleicht nie den Mut für eine Veröffentlichung aufbringen konnten?
Wenn ich Sie wäre, wäre ich genau gleich vorgegangen nachdem was Sie erfahren haben. Ich würde keine Pläne schmieden, sondern es einfach auf mich zukommen lassen. Denn was hätte ich schon noch zu verlieren? Mein Werk wäre veröffentlicht, auch wenn nicht unter meinem Namen, aber geschrieben haben Sie es ja sowieso unter einem Pseudonym.
Und was jetzt für Sie raus springt ist nicht allzu schlecht. Nie mehr in Bars den Clown spielen um einen Drink spendiert zu bekommen. Nicht mehr in einem Männerheim wohnen und von nur 15 Franken am Tag leben, denn jetzt hat David für Sie die Spendierhosen an.
Also, er muss.
Es geschieht ihm ja wirklich recht. Es ist nur Ihr gerechter Anteil. Sie waren es, der sein Herzblut in dieses Manuskript gesteckt hat und seine tiefsten Gefühle preisgegeben hat.
Warum also sollten Sie nicht auch profitieren.
Ich bewundere Sie und unterstütze Ihr Handeln vollkommen.
Jedoch stellen Sie sich in gewisser Weise auch zwischen ein junges Liebespaar.
Marie hat David sogar ein Ultimatum gestellt. Doch vielleicht ist das auch gut, denn Marie merkt plötzlich, dass sie sich vielleicht nicht in David, sondern in Peter Landwei verliebt hat.
Ihr unglücklicher Unfall tut mir sehr leid. Sie sollten aber eines wissen: David hatte ursprünglich geplant, genau das zu tun, was Ihnen widerfahren ist.
Er ist Ihnen auf den Leim gegangen und hat Ihrem Druck nicht mehr standhalten können.
Er glaubte Ihnen den Betrug, sowie auch ich.
Habe ihn gerade erfahren (auch die meisten meiner Fragen haben sich im Laufe des Briefes geklärt) und damit habe ich nun überhaupt nicht gerechnet.
Sie sind noch viel raffinierter, als ich gedacht habe! Was hat Sie so sicher gemacht, dass David Ihnen alles glauben würde, was Sie ihm auftischen? Sie haben sich wohl auf Ihr Bauchgefühl verlassen, was offensichtlich trotz des vielen Alkohols ungetrübt ist.
Eigentlich sollte eher über Ihre Lebensgeschichte als über die von David ein Buch geschrieben werden, denn Sie nehmen so viele Geheimnisse mit ins Grab, die ich gerne gewusst hätte.
Mögen Sie in Frieden ruhen, Jacky.
Aretha Franklin - Say A Little Prayer
Liebe Sophie
AntwortenLöschenWie du weisst habe auch ich Lila, Lila gelesen und bin ein kleiner "Fan" von Jacky.
Ich finde es bewundernswert wie du dich mit Jacky und seinem Leben befasst hast (auch wenn man im Buch nicht wirklich viel über ihn in Erfahrung bringen konnte). Man merkt, deine Fragen beschäftigen dich wirklich und ich wage zu behaupten das du dir viele Gedanken zu dem gesamten Buch gemacht hast.
Wenn man vergisst, dass dies nur ein Brief an eine Romanfigur ist, könnte man fast meinen der Empfänger dieses Briefes gäbe es wirklich... :)
Liebe Grüsse
Alisha